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Alle Menschen sind Ausländer - fast überall. Christusdorn von Hildigund Neubert
Sonntag, 31. Juli 2022, 04:45 Uhr
Alle Menschen sind Ausländer – fast überall.
Neulich war ich auf dem Berliner Hauptbahnhof. Ferienbeginn, Familien mit Rollkoffern, Jugendliche mit hoch aufragenden Rucksäcken, Gruppen, Einzelne, Aufbruch in die Ferien, letzte Klassenfahrtgruppen, großes Gewimmel.
Dazwischen Menschen in neonfarbenen Westen, beschriftet mit den Sprachen, die sie verstehen: Englisch, Russisch, Ukrainisch. Die Reisenden, die sie suchen, sind keine Urlauber. Sie haben gerade ihre Heimat verlassen, sie fliehen vor dem Krieg, fürchten um ihr Leben, um ihre Angehörigen, ihre Wohnung, ihre Heimatstadt.
Diese Menschen sind angewiesen darauf, dass jemand sie aufnimmt als Fremdling, als Gast. Gut, dass die Neonwesten-Leute ihnen die ersten Schritte erleichtern, ihnen Willkommen bieten. Denn niemand weiß, wie lange sie bleiben müssen. Es wäre gut, nicht fremd zu bleiben, sondern Mitbürger zu sein, Hausgenossin, WG-Kumpel, Kollegin.
Dieser Krieg erschreckt uns auch dadurch, dass er so nah ist, dass wir nicht neutral sein können. So schnell könnten wir selbst Fremdlinge, vertrieben werden. Vor 70 Jahren, 1952, waren es Menschen aus Mackenrode, Obersachswerfen, Liebenrode…, die aus der Heimat vertrieben wurden.
Da ist es gut, wenn man Heimat in sich trägt. "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." Das spüren wir, wenn wir Gastfreundschaft erfahren, wenn wir im Fremden das gemeinsam Menschliche entdecken.
Alle Menschen sind fast überall Ausländer –– außer bei Gott.
Hildigund Neubert
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